Das Baramt des Domstifts Freising und die Baramts-Versammlungen in Mauggen und Klettham
Im Mittelalter bestand im Landgerichtsbezirk Erding ein eigentümliches Rechtsinstitut, das Baramt-Freigericht. Es gab nämlich bis zur Bauernbefreiung im 19. Jahrhundert bei uns kaum selbstständige Bauern. Der Bauer war allgemein vom Grundherrn abhängig. Dabei gab es verschiedene Arten dieser Abhängigkeit: die Leibeigenschaft, das Freistift, das Neustift und das sog. Baramt (bar = frei, also Freigericht = Gericht über Freie). Das Baramt war also die mildeste Form der Abhängigkeit. Das Anwesen wurde dabei in der Regel an die Nachkommen des Besitzers weiter vererbt.
Wesentliche Bestimmungen der Baramts-Ordnung waren:
(Entnommen aus Aufzeichnungen von G. Föringer)
1. Alle Bauleute (= Bauern) des Domstifts Freising, welche zu dem Baramte gehören, sollen jährlich am Mittwoch nach Hl. Dreikönig in Maucken, und von diesem Mittwoch über 14 Tage in Klettheim sich versammeln. Da wird des Domstifts Kellner (= Unterhändler des Bischofs) ein Recht besetzen und werden da vorgelegt alle Rechte des Baramts zwischen dem Domkapitel und den Bauleuten, und welcher Baumann bei einer dieser Versammlungen nicht erscheint zahlt zur Strafe 72 (70) Pfenning.
2. Wer von Erbschaft wegen etwas zu begehren hat, der soll das zu Maucken fordern, und zu Klettheim beendigen.
3. Bei streitigen Ansprüchen um ein Gut haben zwei Hausgenossen oder deren mehrere zu erkennen, wem das Gut gebühre.
4. Ist ein Erbe im Lande und fordert sein Erbgut nicht inner Jahresfrist an den vorerwähnten Stätten, so mögen seine nächsten Freunde das Erbe fordern.
5. Ist aber ein Erbe außer Landes zehn Jahr und einen Tag, der hat fürder nichts zu fordern.
6. Muß ein Baumann sein Erbe verkaufen wegen Armuth oder wegen Geldschuld, so soll er dasselbe zuvor seinen nächsten Freunden, dann den Hausgenossen, und zuletzt dem Domkapitel anbieten; will es Niemand von diesen kaufen, so mag er es verkaufen einem andern bescheidnen Mann.
7. Vermag ein Baumann seinen jährlichen Dienst drei Jahre hindurch nicht zu geben, so darf er ein Grundstück aus seinem Gut versetzen, und damit seinen Zins entrichten. Entrichtet er aber den Zins nicht, so ist das Erbe nach drei Jahren dem Domkapitel erfallen.
8. Wer sein Erbe erläßt, der soll halb so viel Saamen zurücklassen als der Dienst beträgt, und soviel Heu als Saamen dazu gehört. Will derselbe das Drittheil (der stehenden Früchte) schneiden, so soll er in den betreffenden Feldern „stossen den dritten Stecken;“ thut er das nicht, so erhält er auch das Drittheil der Früchte nicht.
9. Wenn ein Barämtler stirbt, so soll sein ehelich Weib desselben Gut besitzen, so lange sie Wittwe bleibt, ohne Hinderniß von Seite der Kinder und Erben; verehelicht sie sich aber wieder, so empfangen das Gut die andern nächsten Erben.
10. Wenn ein Baumann keinen Haber zu geben vermag wegen Schauers oder anderer Landgebrechen, so soll man von ihm nehmen 1 Mutt Roggen für 2 Mutt Haber.
(Müttl war ein Freisinger Maß und hielt ungefähr fünf Metzen.)
11. Wenn ein Baumann bereits Willens war, sein Dienstgetreid auf des Domkapitels Kasten zu führen, dasselbe aber durch Feuer, Wasser oder Raub zu Grunde ging, so ist der Baumann von diesem Dienstgetreide dem Kapitel nichts schuldig.
12. Wenn ein Hausgenosse sein Erbe verläßt ohne Wissen und Willen des Domkapitels, so ist dasselbe dem Domkapitel verfallen.
13. Wenn ein Baumann sein Erbe verläßt, ohne dem Domkapitel hinsichtlich seiner Forderungen Genüge geleistet zu haben, so ist derjenige, welcher nach ihm das Erbe inne hat, schuldig, das Domkapitel zufrieden zu stellen.
14. Welcher Baumann seine Gilt vor der Stift nicht entrichtet hat, der zahlt zur Strafe 70 Pfenning.
15. Streiten zwei um ein Erbe, und däucht einem, daß ihm zu kurz geschehe, so mag er seines Rechtes Urtheil vor den Domprobst zu Freising bringen; der soll dann richten nach Rath der Hausgenossen.
Aus Art. 1 geht hervor, dass die sog. Baramts-Versammlungen jährlich zweimal abgehalten werden mussten, nämlich in Mauggen und in Klettham. Über die Versammlung in Mauggen ist in den Aufzeichnungen von G. Föringer folgendes zu lesen:
Johann Seidl, ansäßig auf dem sogenannten Rauch-Anwesen zu Maucken, gibt auf Vorhalt an:
Am ersten Mittwoch nach Hl. Dreikönig eines jeden Jahres und zwar seit unfürdenklichen Zeiten bis beiläufig 1803 oder 1804 kamen alle Freisinger Barämtler in der Behausung des Knoll in Maucken zusammen, und zwar beim Knoll deshalb, weil dieser auch ein Barämtler war, und die Zusammenkunft von jeher dort gehalten wurde.
Am genannten Tage nun kam ein Bote oder Diener des Schadenfroh aus Freising, (dieser Schadenfroh war der letzte Kastner = Kellner des Hochstifts) und las die Pflichten der Barämtler herunter; so lange ich die Zusammenkünfte besuchte (es geschah dieses 1800 zum erstenmal) las er die Pflichten nicht mehr herunter, sondern sagte nur jedes Mal: „wie es zu halten ist, wißt ihr so schon.“ Dann fragte er, ob keiner eine Uebergabe, Heirath oder dergleichen zu verhandeln habe, schrieb die, welche sich darum meldeten, auf, und verlas die Anwesenden, denn wer nicht erschienen war, musste 20 kr (Kreuzer) Strafe bezahlen. Sonst kam bei dieser Zusammenkunft nichts vor. Besonders war dabei noch, dass jener Bote oder Gerichtsdiener auf einen am Düngerhaufen stehenden Stuhl sich setzen musste, während wir Barämtler auf der sogenannten Gred stehen blieben. Dieses war aber nur ein Recht, das die Barämtler ausüben konnten, wenn sie wollten; so lange ich die Zusammenkünfte besuchte, saß der Bote nie am Düngerhaufen; doch weiß ich, dass einige alte Bauern darauf bestehen wollten, dass er wieder einmal am Düngerhaufen sitze, damit sich das Recht nicht verjähre.
Am Mittwoch nach Paulibekehr war Zusammenkunft in Klettheim beim Müller, welcher auch ein Barämtler war. An diesem Tage kam der Schadenfroh immer selbst. Er brachte vorerst die Stift von jedem Barämtler ein; diese betrug bei mir jährlich 49 1/2 kr., bei einigen mehr, bei einigen weniger. Dann nahm er den Dienst ein, wenn einer denselben geben wollte, und endlich nahm er die vor, welche eine Heirath, Gutsübergabe und dgl. hatten; bei diesen letzteren Verhandlungen waren nur die gegenwärtig, die betheiligt waren, die übrigen hatten sich jedesmal schon entfernt. Davon dass über Streitigkeiten entschieden oder auch nur Vergleiche deshalb gemacht worden wären, ist mir nichts bekannt.
Wer nach Klettheim nicht kam, mußte gleichfalls 20 kr. bezahlen. Wer drei Jahre hintereinander die Zusammenkünfte in Maucken und in Klettheim nicht besuchte, hatte das Baramt verwirkt. … Es waren früher 99 Barämtler, so hörte ich; als ich auf das Gut kam, waren es noch drei und zwanzig.
Weiter schreibt Föringer über seine Erkundungen:
Während meines Ferienaufenthaltes zu Erding in den Jahren 1836 und 1838 setzte ich die Untersuchung über diesen Gegenstand an Ort und Stelle selbst fort. Ich begab mich nach Maucken, einem eine Stunde von Erding entfernten am Fußwege nach Dorfen in einem engen Thalgrunde gelegenen Dorfe, und besichtigte die Stätte des Baramts, den alterthümlichen Knoll-Hof dortselbst, mit seiner noch jetzt vorhandenen unter dem Schutze des weit vorspringenden Daches stehenden, mit einem Geländer versehenen „Grede“ und mit dem friedlich umzäunten Hofraume, wo es dem Herrn Cellerarius von Freising am Düngerhaufen thronend an den Mittwochen nach heil. Dreikönig manchmal ziemlich kühl geworden seyn mag. Meine mündlichen Erkundigungen führten indeß zu keinem neuen Ergebnis, sondern bestätigten lediglich nur das aus obiger Vernehmung bereits Bekannte. … Jedenfalls entstammte das ganze Institut des Freisinger Baramts und namentlich die in demselben dargelegte Humanität und Milde in der Stellung des Grundherrn gegen seine Holden jenen guten alten ächt deutschen Grundsätzen, die unsere vaterländische Vorzeit so schön bezeichnen, und die – nach einem Jahrtausende friedlicher Uebung, mit so vielen andern ehrwürdigen Ueberlieferungen – beim Anbruche unserer Zeit untergegangen sind.
Ausschnitt aus der Baramtsbeschreibung von Mauggen und Klettham von 1610:
Hie sind zemerckhen, die Recht aines BarambProbsts
vnd Capitl Aigens, In dem ParAmptt.
Item Zur dem ersten, sollen All Vnser Pauleuth, so Zue dem Par=
Ambt gehörn, khomen geen Mauckhen, des Mitwochen nach Obristeg,
vnngeboten, Vnnd Wehr von Erbschafft Wegen Jehrs Zubegehrn hatt,
der soll das daselb vordern, Vnnd darnach von denselben Mit=
wochen vber 14 Tag, da sollen aber all Parambtter khommen
geen Klethaim Vngebotten, da wirdt meiner herrn Kellner Von
Freysing Ain Recht besizen, Vnndt würdt dafür gelegt, Vnnd
benennt Alle recht des Parampts, Zwischen deß Capitls, Vnnd
der Parambter, Vnnd welch Pauman nicht Khumbt, Alls Vorge=
schriben ist, geen Mauckhen, od geen Klethaym, der Ist
schuldig Zuwanndlen, dem Kellner 70 d…
Quelle: BayHStA, HL Freising Nr. 827
Verzeichnis aller Baramtler im Gericht Erding von 1610:
Verzaichnuß
Aller Parambter so ins Khell=
Ambt gehören
1. Sunderndorf Leonhard Forttn,
2. CasPar Oberhueber daselbß,
3. Leonhard Loehmair Ossterhueber daselbß
4. Holzstrogen Martin Moser
5. Oberhouen Christoph vnd Leonhard Moser
6. Eckh Wolff Paur
7. Schachtenseon Khürmayr
8. Polzing Christoph Khorber
9. Scharffenegg hannß Schuester
10. Im Moß bey Dorffen, Georg Aidlfinger
11. Pamberg Thoman Paur
12. Stürzlhaimb, Prunnhoff Georg Prath
13. Perchhaimb Georg Hueber
14. Pachhaimb Wolff Stainer Jeglar (?)
15. Niederhindelpach, Pauluß Gerolt
16. Leonhard Deitlmoser Prihlhueber da=
Selbß
17. Pauluß Teyler daselbß
18. Thalhaimb, hannß hueber
19. Hannß häberl daselbß
20. Khöchelhaimb hannß Schleibinger wirth (ist strittig)
21. Georg Parth daselbß
22. Simon Faltermayr daselbß
23. Khloinkähelhaimb, Leonhard Jobst
vnd hannß Schinnagl
24. Tittenkhouen Thoman Paur
25. Heckhen, Scharlacher
In oblayambt gehörig
26. Mauggen, hannß Rauch
In die Dechantej gehörig
27. Clethaimb, Georg Paur
28. Spittalhueb daselbß
Zum bereitter Ambt Vltra
yseram gehörig
29. Sunderndorf, Leonhard hueber,
30. Hannß Perzel daselbß
Liste der Baramtsunterthanen
nach einem beim k. Rentamt Erding liegenden Verzeichnisse v. J. 1803
Baaramt.
Sonderndorf. Mathias Deutinger, Fohrer; Jakob Niedermaier, Hueber; Kaspar Niedermaier, Lohmaier; Anton Angermaier, Perzl; die sonst dem Breitter verreichten. (NB: Dieser Breitter war der Domkapitel-Freising’sche Amtmann am Moosrain zu Oberdieng.)
Holzstrogen. Lorenz Bauer, Moser.
Oberhofen. Kaspar Secklbauer, Pletzer, und Joseph Sedelbaur, Bauer. NB. An dieser Stift hat ersterer 2/3 und letzterer 1/3 zu geben.
Eck. Sebastian Oswald, Bauer.
Schachtenseon. Peter Geisberger, Kirmair.
Scharfeneck. Joseph Heilmaier, Pointner; ist ein Zubau.
Im Moos bei Dorfen. Johann Faltermair, Adelfinger.
Niederhintelbach. Joseph Hacker, Triller.
Köchelham. Joseph Knittelberger, Wirth; Item er besonders vom Faltermaier Gut.
Kleinköchelham. Georg Lindner, Schinnagl, und Bartlmä Nabel.
Höcken. Balthasar Scharlacher, Schärl.
Tittenkofen. Michel Bauer, Baurnschneider oder Pichelmaier.
Mauggen. Johann Seidl, Rauch.
Baaramter, so Freystiftsgerechtigkeit haben.
Maiszagl nächst Sonderndorf. Melchior Bruner, Maiszagl.
Ed, an der Sempt. Sebastian Elsenberger, Pockeneder.
Pamberg. Anton Berghammer, Halmaier.
Mauggen. Kaspar Altmann, Knoll.
Bergham. Franz Zehendmaier, Hueber.
Thallham. Georg Rott, Hueber; Michel Wolfecker, Haberl.
Polzing. Joseph Halbinger, Korber.
Bacham. Andrä Saufüßl vom zubauweiß genießenden Gut zu Bacham.
Stürzlham. Joseph Manhard, Brod.
Großhintelbach. Joseph Hueber, Pillhueber.
Niederhintelbach. Max Wismaier, Gerold.
Köchelham. Franz Lex, Barth vom Barthengütl.
Niederpietelbach. („pietelbach“ ist mit Bleistift durchstrichen und darüber geschrieben „hintelbach“) Simon Klostermair, Bachmair.
Halberstätten. Georg Eibel, Halberstätter; Lorenz Hofer, Burger.
Domdechantey
Kletham. Philip Pestl, Gugglmüller, Baramtsgut.
Erding. Das Spital von der Baaramtshueb.
Quelle: Ortschronik Mauggen, 1053-2003, Herausgegeben von der Ortschaft Mauggen im Rahmen der 950-Jahrfeier, im März 2003